Offener Brief an den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der sich für die 2G-Pflicht und damit gegen die Interessen seiner Mitglieder ausspricht

Lieber Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW),

für deutschlandweites Aufsehen in den Schlagzeilen hast Du letztens gesorgt, als Dein Bundesgeschäftsführer Markus Jerger öffentlich den Ausschluss ungeimpfter Menschen von deren Arbeitsplätzen forderte. Und damit nicht genug: Auch in sämtlichen anderen gesellschaftlichen Bereichen, mit Ausnahme von Veranstaltungen, zitiert das „Handelsblatt“ BVMW-Chef Jerger, „sollte vom zwölften Lebensjahr an ab sofort die 2G-Regelung gelten.“ Zwar ist Herr Jerger kein Jurist, sondern Wirtschaftswissenschaftler. Trotz alledem sollte er wissen, dass seine Forderung nach dem Ausschluss eines ganzen Drittels unserer Gesellschaft aus dem Arbeits- sowie dem öffentlichen Leben schon an den Schranken unserer Verfassung scheitern dürfte. Ihm ging es wohl lediglich darum, mit seiner zugespitzten Polemik einmal mehr in der Presse von sich reden zu machen. Das hat er wohl leichterhand geschafft.

Dem guten Namen des BVMW erwies Herr Jerger damit allerdings einen Bärendienst; der für den BVMW entstandene Schaden ist noch längst nicht abzuschätzen. Bereits jetzt muss der Mittelstandsverband auf seiner eigenen Website feststellen, Herrn Jergers polemische 2G-Forderung stoße „bei vielen Mitgliedern auf Unverständnis und Ablehnung.“ Befragte Mitglieder äußern offen ihre Gedanken, „den BVMW zu verlassen“. Der Verband solle sich lieber dafür einsetzen, dass die deutschen Mittelstandsunternehmen ihre aufgebürdeten Kosten „für Tests, Desinfektionsmittel, Masken usw.“ erstattet bekämen. Der BVMW ist immerhin Vertreter der Interessen des Mittelstands, nicht Sprecher der Regierungskoalition.

Ebenfalls im Handelsblatt und unter der Überschrift „Nie waren wir näher an einer Bananenrepublik!“ äußerten dieser Tage gleich eine ganze Reihe an Händlern sowie Handelskettenchefs ihren Unmut über den gesetzlich verordneten Ausschluss ungeimpfter Menschen vom Einkauf in ihren Läden. Das „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW) prognostiziert einen Umsatzausfall von mindestens 5,3 Milliarden Euro für den Einzelhandel – allein für den Dezember diesen Jahres! Vertreten fühlen sich die Händler längst nicht mehr vom BVMW. Das verwundert nicht bei solchen demokratieschädlichen und gesellschaftsverachtenden Forderungen des BVMW-Chefs. Forderungen, die allerdings nur bedingt überraschend kommen: Immerhin ist es Euer Verband, lieber BVMW, der zeitgleich – und das ist kein Witz! - für erhöhte Investitionen deutscher Unternehmer nirgends anders als in Tadschikistan wirbt. „Wirtschaftswachstum trotz Pandemie“, twittert der BVMW. „Tadschikistan hat genau das geschafft.“ Verschwiegen wird, dass es sich bei dem zentralasiatischen Land um eine der repressivsten Diktaturen dieser Erde handelt. Auf dem „Demokratieindex“ des Wirtschaftsmagazins „The Economist“ wird Tadschikistan seit vielen Jahren auf einem der rangletzten Plätze gelistet; irgendwo zwischen dem Iran und Nordkorea.

Die Achtung universeller Menschenrechte fällt somit schon mal nicht in den Kompetenzbereich eines BVMW unter der Leitung Markus Jergers. Mit dessen unsinniger Forderung nach dem kompletten Ausschluss sämtlicher ungeimpfter Menschen aus beinahe allen Bereichen des täglichen Lebens schließt sich dieser Kreis. Seit 2009 hatte ich selbst über zehn Jahre lang in der Wirtschaftsförderung gearbeitet, sowohl bei der „Sächsischen Aufbaubank“ als auch als Regionalmanager in der „Zukunftsagentur Brandenburg“. Ich hatte in dieser Zeit leider eine ganze Reihe politischer Vorstöße gegen die Interessen unserer mittelständischen Wirtschaft erleben müssen. Keiner reichte je an die jüngste Einlassung des Markus Jerger heran. Lieber BVMW, vielleicht solltest Du eher darüber nachdenken, nicht etwa ungeimpfte, dafür jedoch negativ getestete Kollegen aus dem Arbeitsleben, sondern vielmehr einen Herrn Jerger aus Deiner Vereinstätigkeit auszuschließen. Und sei es auch nur, um angesichts der massiven Kritik Deiner eigenen Mitglieder Deinen einstmals guten Namen wieder reinzuwaschen.

Mit freundlichen Grüßen,

Thomas Kirste

Mitglied des Sächsischen Landtags

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