Offener Brief zur Blockierung der friedlichen Montagsspaziergänge durch das "Bunte Bündnis" und Frank Richter auf dem Marktplatz Meißen

Lieber SPD-Listenkandidat Frank Richter,

am 23. Februar werden Sie im Berliner DDR-Museum erwartet, um einmal mehr über Ihre Sicht auf die Sachsen und ihren Freistaat zu referieren. Wir erinnern uns: Noch 2018 gaben Sie sich in einer Streitschrift den Sachsen als väterlichen Zuhörer, als Vermittler zwischen den Fronten, sogar als „Pegida-Versteher“, wie der Hamburger SPIEGEL sie einmal bezeichnete. Ihre Schmeicheleien, hofften Sie, sollten Ihnen den Weg ins Rathaus von Meißen, Ihrer und meiner Geburtsstadt, ebnen. Bei der Oberbürgermeisterwahl scheiterten Sie jedoch kläglich, zogen sich – nunmehr anstellungslos – frustriert in ihr Häuschen zurück und wüteten in einem Schmähpamphlet über Ihre Wähler und die Frage, „Gehört Sachsen noch zu Deutschland?“. Erst im Oktober des anschließenden Jahres gelang Ihnen der Sprung in den Sächsischen Landtag, wohlgemerkt auf einem ziemlich riskanten hinteren Listenplatz.

Das ist auch gut so; wer weiß, was Sie sonst noch geschrieben hätten. Denn was Sie kürzlich im „Morgenmagazin“ des ZDF von sich gaben, genügt vollauf, um auf neue Schriften aus Ihrer Feder herzlich gern verzichten zu können. Zu den montäglichen Spaziergängen wurden Sie vom ZDF befragt, wie groß denn der Anteil der von Ihnen behaupteten rechtsextremistischen Demonstranten unter den Spaziergängern sei. „Das weiß ich nicht“, antworteten Sie schulterzuckend, nur um hinzuzufügen, deren Anteil sei trotz alledem „lautstark und gefährlich.“ Natürlich wussten Sie aber, warum es von Montag zu Montag immer mehr Sachsen zu Spaziergängen auf die Straße triebe: Die Sachsen seien seit der Wende frustriert. Die Sachsen seien sowieso generell trotzig – Sie nannten es sogar den „Betriebsmodus der Sachsen“. Und die Sachsen seien natürlich wütend; ihre Wut schlüge an den Rändern der Demonstrationen zu Hass und Gewalt um. Frust, Trotz und Wut treibe die Sachsen, so urteilten Sie im ZDF.

Mit keiner Silbe erwähnten Sie hingegen die wirklichen Beweggründe der Abertausenden Sachsen, mit denen Sie am Rande jedes Spaziergangs doch einfach mal hätten reden können: Die seit zwei Jahren unverhältnismäßig eingeschränkten Grundrechte; die willkürlichen Schließungen von Gastronomie, Tourismus und Einzelhandel teils über Monate hinweg; die unsinnigen Regelungen, wer noch welchen Laden und welches Restaurant betreten dürfe; die Vielzahl der von Insolvenz bedrohten Unternehmer, Selbständigen und auch Künstler; die unzähligen tatsächlich bereits vernichteten Arbeitsplätze; die sich ständig verschärfenden Masken- und Impfregeln bis hin zur Impfpflichtdebatte; die autokratische Verkürzung der Genesenendauer, die quasi über Nacht breite Bevölkerungsschichten in plötzliche Rechtsunsicherheit gestoßen hat. Die Liste ist langläufig fortführbar. Ihr Erklärungsmodell einer von Wut, Trotz und Frust geprägten sächsischen Volksseele ist hingegen schön schlicht, schön populistisch, schön falsch – und passt perfekt zu Ihrem jüngsten Pamphlet, ob Sachsen „noch zu Deutschland“ gehöre.

Sie wollen Bürgerrechtler sein. Sie rühmen sich, in der DDR auf die Straße gegangen zu sein. Ihre damaligen Proteste haben Sie sicherlich nirgends vorab angezeigt. Die neuerlichen Spaziergänge vieler Sachsen seien jedoch, so sagen Sie, „zum großen Teil überhaupt nicht schön“, diese liefen ja „zum Teil auch irregulär ab, das muss absolut kritisiert werden.“ Dem ZDF und unserer Regierung haben Sie mit diesen Worten schön nach dem Mund geredet. Den mittlerweile 43 Prozent der Sachsen, die sich laut Umfrage der „Sächsischen Zeitung“ mit den Zielen der Spaziergänge identifizieren – Tendenz weiter steigend – hingegen nicht.

Ein deutliches Zeichen, wie Sie zur demokratischen Meinungsbildung in Sachsen stehen, setzen Sie jetzt, indem Sie Montag für Montag, geplant schon bis mindestens Ende Februar, mit ihrer wenige Dutzend Sympathisanten umfassenden Schar den zentralen Marktplatz der Stadt Meißen besetzen; einzig damit sich dort keine Menschen anderer Meinung versammeln können. Bei Wind und Wetter finden sich jeden einzelnen Montag über tausend freiheitsliebende Bürger in Meißen zusammen, um ihre Sorgen und Ängste öffentlich werden zu lassen. Die politische Willensbildung dieser unzähligen Menschen blockieren Sie mit Ihrer äußerst überschaubaren Menge verbliebener Anhänger, zusammen mit der Linksjugend, und rufen dann noch, der Realität zum Trotz: „Wir sind mehr!“ Sie und Ihr Kleinbus voller Jubelperser – wenn der Bus denn überhaupt voll würde! - Sie sind ganz sicher nicht die Mehrheit. Schon gar nicht in Meißen, schon gar nicht am Montagabend.

So stellt sich bald nicht mehr die Frage, ob Sachsen noch zu Deutschland gehört, sondern ob Sie überhaupt noch zu Sachsen gehören. Oder ob Sie vielleicht doch lieber in einer der Vitrinen des Berliner DDR-Museums ausgestellt gehören, sozusagen als „Bürgerrechtler außer Dienst“. Dort halten Sie ja eh bald wieder eines Ihrer berüchtigten Referate – über einen Freistaat und seine Bürger, von deren Wünschen, Ängsten, Hoffnungen und Befürchtungen Sie längst schon keine blasse Ahnung mehr haben.

Es grüßt Sie freundlich,

Thomas Kirste

Mitglied des Sächsischen Landtags

 

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